Wolle in einer Stadtwohnung zu kardieren und zu Garn zu verarbeiten wirkt auf den ersten Blick wie ein Luxusprojekt für Landbewohner. Ich kann dir aus eigener Erfahrung versichern: Es geht – mit wenigen, durchdachten Hilfsmitteln, platzsparenden Methoden und etwas Routine. In diesem Beitrag teile ich meine besten Tipps, Techniken und Produktempfehlungen, die sich in kleinen Wohnungen bewährt haben.

Warum kardieren in der Wohnung sinnvoll ist

Für mich ist das Kardieren mehr als Vorbereitung: Es gibt mir Kontrolle über Fasermischungen, Entfilzungen und die Ausrichtung der Fasern, die sich direkt auf das Spinnverhalten und das Garnbild auswirken. Kardieren erlaubt außerdem kreative Farbverläufe (z. B. beim Drumcarder) und macht kleine Chargen aus lokal geschorener Wolle verarbeitbar – ohne große Waschküche oder Werkstatt.

Grundausstattung – kompakt und wohnungstauglich

Du brauchst nicht viel Platz, aber die richtigen Werkzeuge:

  • Handkarden: Die klassischen Handkarden sind leicht zu verstauen und ideal für kleine Mengen. Marken wie Kromski oder Ashford bieten robuste Modelle.
  • Kleine Trommelkarde (Drumcarder) in Mini-Größe: Es gibt kompakte Drumcarder wie die handlichen Modelle von Strauch oder die kleinen Drumcarder von Ashford, die auf einen Tisch passen und weniger Lärm machen als große Maschinen.
  • Klappbarer Spinnrad- oder Spinnnyt: Ein Drop Spindle (Spindel) ist der platzsparendste Einstieg. Für elektrisches Spinnen ist der Ashford e-Spinner oder das kleine elektronische Gerät von Kromski eine Option, wenn du Strom bevorzugst.
  • Nostepinne / Niddy Noddy: Kleine Werkzeuge zum Aufwickeln und Messen des Garns – sehr kompakt.
  • Aufbewahrung: Stapelbare Kunststoffboxen, luftdurchlässige Stofftaschen und beschriftete Kisten halten Fasern staubfrei und übersichtlich.
  • Platzsparende Arbeitsfläche einrichten

    In meiner Wohnung habe ich eine kleine „Faser-Ecke“ eingerichtet: ein stabiler Klapptisch, der als Arbeitsfläche dient, und ein zusammenklappbarer Stuhl. Der Tisch bleibt bei Bedarf stehen oder wird zusammengeklappt. Ein klappbares Wäscheständer-Regal dient als Trockenplatz für gewaschenes Vlies oder fertige Stränge.

  • Arbeitsfläche: Ein robuster Tisch (z. B. 60×90 cm) reicht oft.
  • Stauraum: Unter dem Bett oder in einem Schrank passen Kisten mit sortierten Vliespartien.
  • Schutz: Ein Wachstuch oder eine Silikonmatte schützt Möbel vor Fusseln und Feuchtigkeit.
  • Kardieren in kleinen Mengen – Techniken

    Ich kardiere meistens in Portionen à 50–150 g. Das ist überschaubar, erzeugt wenig Schmutz und lässt sich gut verarbeiten.

  • Handkarden-Methode: Ideal für dünne Batches. Vlies gleichmäßig verteilen, mit einer Karde von der Mitte nach außen arbeiten. Ausziehen und zu einem Strang aufwickeln (Rolags), die sich hervorragend für das Spinnen mit der Spindel eignen.
  • Mini-Drumcarder: Für kreatives Mixing und Farbverläufe. Ich füttere die Karde mit schmalen Streifen verschiedener Farben, damit beim Ausziehen ein meliertes Effektgarn entsteht. Das geformte Bat (Rolag/Leise) lässt sich direkt abziehen und aufwickeln.
  • Flick-Kardieren: Wenn du nur kleine, verfilzte Partien aufarbeiten möchtest, klappt Flicking sehr gut: mit einem Kamm oder einer kleinen Karde einzelne Fasern lösen, aufziehen und als kurze Stränge spinnen.
  • Spinnen in der Wohnung – leisere, platzsparende Optionen

    Das Spinnen ist oft das längste Stück Arbeit. Ich bevorzuge langsame, gleichmäßige Methoden, um Lärm und Platzbedarf zu minimieren.

  • Drop Spindle: Die günstigste, leiseste und platzsparendste Methode. Du kannst auf dem Sofa sitzen, brauchst kaum Platz und sehr wenig Equipment.
  • Kleines Spinnrad oder e-Spinner: Wenn du schnelleres Spinnen willst, sind kompakte Spinnräder oder ein Ashford e-Spinner hilfreich. Achte auf zusammenklappbare Modelle oder solche mit kleiner Stellfläche.
  • Lazy Kate und Plying: Fürs Zwirnen genügt oft eine transportable Lazy Kate – selbst gebaute Modelle aus Klemmen und Stäben sind platzsparend.
  • Waschen, Trocknen und Nachbearbeitung in der Wohnung

    Für unbehandelte Vliespartien brauchst du oft Waschräume – aber in kleinen Mengen geht das im Waschbecken oder einer großen Plastikwanne in der Badewanne.

  • Waschen: Niedrige Temperaturen (30–40 °C) und pH-neutrales Wollwaschmittel; mehrere Spülgänge. Für stark verölte Wolle kannst du spezielle Lanolin-Entfetter nutzen, aber ich wasche nur so viel wie nötig, um Faserqualität zu erhalten.
  • Trocknen: Auf einem Trockengestell flach oder auf einem Handtuch. Luftstrom durch ein gekipptes Fenster oder einen Ventilator hilft – aber achte auf Staubverwirbelung.
  • Etikettierung: Jede Charge beschrifte ich mit Herkunft, Schafrasse und Datum – praktisch für späteres Matching.
  • Staub, Fusseln und Nachbarn

    In Wohnungen sind Fusseln das Hauptthema. Ich habe ein paar einfache Strategien entwickelt:

  • Arbeite mit kleinen Chargen, um die Fusselmenge zu begrenzen.
  • Nutze einen HEPA-fähigen Tischstaubsauger oder eine kleine Absaugung, insbesondere beim Kardieren mit Trommelkarde.
  • Schließe Türen, arbeite auf wachsbeschichteter Matte und säubere regelmäßig mit feuchtem Tuch.
  • Informiere ggf. WG-Mitbewohner oder Nachbarn; klare Kommunikation vermeidet Missverständnisse.
  • Platzsparende Zubehörtipps

    Ein paar kleine Helfer haben meinen Alltag enorm vereinfacht:

  • Klappbarer Niddy Noddy: Leicht verstaut, ideal zum Aufwickeln.
  • Mobile Rollwagen: Ein kleiner Rollwagen für Werkzeug, Karden und Spindeln lässt sich bei Bedarf wegschieben.
  • Zusammenlegbare Trockengestelle: Für nasse Fasern perfekt und leicht verstaubar.
  • Praktische Projekte für die Stadtwohnung

    Wenn du gerade erst anfängst, empfehle ich dir diese kleinen Projekte:

  • Einfarbige Merino-Skeins aus 100–150 g Chargen (perfekt für Mützen).
  • Melierte Sockenwolle durch Kamm- oder Drumcarder-Mischungen.
  • Kleine Accessoires wie Stirnbänder oder Fingermittens – schnell fertig und erfüllen kleinen Platzbedarf.
  • Ich hoffe, diese Tipps ermutigen dich: Kardieren und Spinnen in der Stadt ist möglich – es braucht nur passende Werkzeuge, gute Organisation und Freude am Prozess. Wenn du möchtest, kann ich beim nächsten Mal konkrete Anleitungen zu Rolag-Herstellung oder einem kompakten Drumcarder-Workflow posten.