Transparenz ist für mich kein Modewort, sondern eine praktische Notwendigkeit – besonders wenn es um die eigene Wolle geht. Ein transparenter Produktpass schafft Vertrauen, erklärt Herkunft und Verarbeitungsschritte und macht nachhaltige Entscheidungen für Kundinnen und Kunden nachvollziehbar. In diesem Beitrag erkläre ich, wie ich einen solchen Produktpass für eigene Wolle aufbaue, welche Informationen darin nicht fehlen dürfen und wie ich ihn kommunikativ einsetze.
Warum ein Produktpass für Wolle?
Ich bekomme oft Fragen von Käufer:innen: Woher stammt die Wolle? Wurde die Schur artgerecht durchgeführt? Wie wurde gefärbt? Ein Produktpass beantwortet genau diese Fragen an einem Ort. Er dient mehreren Zwecken:
- Vertrauensbildung: Kundinnen sehen transparent, wer beteiligt war.
- Qualitätssicherung: Dokumentation von Prozessen und Prüfergebnissen.
- Marketing: Gute Geschichten über Herkunft und Menschen hinter dem Produkt.
- Regulatorische Vorbereitung: Für künftige Anforderungen an Lieferketten.
Welche Informationen gehören in den Produktpass?
Ein guter Produktpass ist klar strukturiert und enthält sowohl harte Daten als auch erzählerische Elemente. Ich unterteile ihn in folgende Blöcke:
- Identität des Produkts: Produktname, Chargen- oder Lotnummer, Artikelnummer, Gewicht und Faserzusammensetzung (z. B. 100 % Merino, regionale Kreuzung).
- Herkunft: Name und Standort des Betriebs, Herdengröße, Haltungsform (z. B. extensiv, Weidewirtschaft), Rasse der Schafe.
- Schur und Handhabung: Datum der Schur, wer geschoren hat (Betrieb oder Dienstleister), Methoden (z. B. schattenfreie Flächen, schurfreundliche Abläufe).
- Weiterverarbeitung: Sortierung, Waschen, Kämmen/ kardieren, Spinnen, Färben (inkl. Farbstoffe, Temperatur, Fixierung), Nennen von Haarart (Deckhaare, Unterwolle).
- Prüfungen und Laborwerte: Feinheit (Micron), Stapellänge, Schmutzanteil, Festigkeit, Pilling-Tests, falls vorhanden.
- Nachhaltigkeitskennzahlen: CO2-Bilanz (falls berechnet), Wasserverbrauch, Einsatz von Chemikalien (Prozente biologisch abbaubar, Giftstoffe).
- Zertifikate und Nachweise: GOTS, OEKO-TEX, Responsible Wool Standard (RWS), Naturland, Bio-Siegel – mit Scannbarer Referenz oder Verlinkung.
- Soziale Aspekte: Wer profitiert? Faire Bezahlung, lokale Zusammenarbeit, Förderprojekte (z. B. Bildungsworkshops für Schäfer:innen).
- Pflegehinweise: Waschtemperatur, Trocknen, Reparaturhinweise, Langlebigkeits-Tipps.
- Story & Kontakt: Kurze Geschichte hinter der Charge, Foto der Herde, Kontaktadresse und QR-Code zur digitalen Detailseite.
Format: digital, physisch oder beides?
Ich empfehle ein hybrides Modell. Auf dem Etikett am Produkt genügt oft eine kompakte Version mit Lotnummer und QR-Code. Die vollständigen Daten halte ich digital bereit – als PDF und als leicht zugängliche Landingpage auf meiner Website.
- Physisch: kleines Etikett oder Beilage mit Lotnummer, Kerndaten, Pflegehinweisen und QR-Code.
- Digital: ausführlicher Produktpass mit Dokumenten, Laborberichten, Karten der Herkunft und Videos von Betrieb und Verarbeitung.
Der Vorteil digitaler Pässe ist die Aktualisierbarkeit: Sollten neue Prüfungen oder Fotos vorliegen, kann ich schnell ergänzen, ohne das physische Produkt neu drucken zu müssen.
Technik: QR-Codes, Blockchain und offene Formate
Für die Zugänglichkeit nutze ich QR-Codes, die auf eine dedizierte Produktseite oder ein PDF führen. Manche Kollektionen profitieren von einer Blockchain-Integration, um Manipulationen schwerer zu machen. Für mich sind allerdings zwei Dinge entscheidend:
- Offene Formate (PDF, JSON-LD) für langfristige Lesbarkeit.
- Datenschutz: Keine unnötigen personenbezogenen Daten veröffentlichen.
Ich habe gute Erfahrungen mit Tools wie Provenance und einfachen QR-Generatoren gemacht; für kleinere Manufakturen reicht oft eine gut gepflegte Seite auf der eigenen Domain (z. B. https://www.campaignforwool.de/products/lot123).
Wie ich den Produktpass schreibe: Sprache und Design
Transparenz heißt nicht nur Zahlen, sondern Verständlichkeit. Ich formuliere klar, vermeide Fachchinesisch und setze auf kleine Erklärkästen. Einige Regeln, die ich befolge:
- Kurze Sätze, aktive Sprache: „Die Schafe wurden im Mai 2025 von Hof Müller geschoren.“
- Icons für Schnellinfos (Herkunft, Zertifikat, Pflege).
- Fotos und Karten: Menschen erkennen Gesichter und Landschaften wieder – das schafft emotionale Bindung.
- Verlinkungen zu Begriffserklärungen (z. B. „Was bedeutet RWS?“).
Beispiel-Tabelle eines Produktpasses (verkürzt)
| Feld | Beispiel |
|---|---|
| Lotnummer | CFW-2025-LOT123 |
| Herkunft | Hof Müller, Allgäu, DE (Weidehaltung, 120 Schafe) |
| Faser | 90 % Merino regional, 10 % Leicester |
| Schurdatum | 12.05.2025 |
| Feinheit | 21,5 μm (Laborbericht #L-459) |
| Zertifikate | RWS (Referenz: RWS-9876), OEKO-TEX 100 (Stufe 1) |
| Produktlink | Produktseite |
Wie ich das Vertrauen kommuniziere
Produktfotos sind wichtig, aber die eigentliche Glaubwürdigkeit entsteht durch Nachvollziehbarkeit. Ich teile:
- Route der Faser: Karte mit Stationen (Schafbetrieb → Wascherei → Spinnerei → Werkstatt).
- Interviews mit beteiligten Menschen: kurze Audio- oder Videoclips.
- Offene Laborberichte als Download.
- Regelmäßige Updates bei Wiederverarbeitung oder Restlosigkeitsprojekten.
Herausforderungen und Lösungen aus meiner Praxis
Beim Aufbau eines Produktpasses stieß ich auf typische Probleme – hier meine Herangehensweisen:
- Uneinheitliche Lieferantendaten: Ich führe Standard-Fragebögen ein und bitte um digitale Fotos und GPS-Angaben.
- Fehlende Laborressourcen: Kooperationen mit regionalen Hochschulen oder kleinen Laboren ermöglicht kostengünstige Stichproben.
- Technik-Skepsis bei Kund:innen: Deshalb biete ich Kurztexte auf dem Etikett und die volle Tiefe digital an.
Praxis-Tipps für den Start
- Starte klein: Ein Produktpass pro Charge, nicht für jedes einzelne Garn.
- Standardisiere Felder: Nutze eine Vorlage, damit alle Beteiligten dieselben Angaben liefern.
- Arbeite mit Partnern: Schäfer:innen, Spinnereien und Prüflabore müssen eingebunden sein.
- Setze auf visuelle Kommunikation: Ein Foto der Herde wirkt oft stärker als trockene Zahlen.
- Sei ehrlich über Lücken: Wenn etwas nicht gemessen wurde, schreibe es rein und nenne den Plan zur Ergänzung.
Ein transparenter Produktpass ist für mich ein laufendes Projekt, kein einmaliges Dokument. Er ist ein Werkzeug, das Vertrauen schafft und gleichzeitig Produktionsprozesse verbessert. Wenn du möchtest, schicke ich dir gern meine Produktpass-Vorlage als PDF oder einen Link zu einer Beispielseite auf Campaignforwool, damit du mit einer praktischen Struktur starten kannst.